Informatiker-Parties und die Gedanken danach... ;)

04.06.05

Permalink 13:43:33, von admin, 1041 Wörter, 4308 Ansichten  
Kategorien: Everyday Life, Lustiges, Peinliches und Ungewohntes, Geeks Only

Informatiker-Parties und die Gedanken danach... ;)

Gestern war Ko's Geburtstag und wir haben uns wie immer im Gemeinschaftsraum des Männer-Wohnheims getroffen, um zu feiern. Der Abend war superlustig, es gab wirklich interessante Gespräche und abgesehen davon, daß mir vor Müdigkeit fast die Augen zugefallen sind, hatte ich auch um 4 Uhr nachts noch nicht wirklich Lust zu gehen... Und das, wo ich doch sonst so gar kein Party-Mensch bin.

Den schönsten Japanisch-Ausrutscher habe ausnahmsweise mal nicht ich mir geleistet, sondern einer meiner Mitpraktikanten, der sinngemäß wohl sowas sagen wollte, wie "Die kann zwar Japanisch reden, aber die traut sich nicht"...
Weiter als bis "Anja ha chotto kowai...." ist er allerdings nicht gekommen, bevor ich wirklich "kowai" werden konnte. ;)
"kowai" heißt nämlich netterweise nicht "ängstlich (scared)" sondern "bedrohlich, angsteinflößend (scary)". So ein "nettes Kompliment" habe ich schon lange nicht mehr bekommen... ;)

Es gab aber auch einige Themen, die bei mir "hängengeblieben" sind, weil sie einfach interessant waren. Eins davon war die Frage: "Wie reden wir eigentlich mit unserem Computer, einem Roboter oder einem Auto-Navigationssystem?". Wir machen hier zwar (fast) alle Spracherkennung, aber zumindest ich hatte bislang nicht darüber nachgedacht, was für Deutsche eigentlich die "natürliche" Art ist, mit einem Computer zu reden. Gibt man einem Computer oder Roboter Befehle im Infinitiv, wie z.b. "Datei öffnen" oder im Imperativ, also so, wie man auch einem Menschen befehlen würde, also z.B. "Spiele CD 2 ab"?

Stand der Dinge, die wir gestern Abend herausfinden konnten: Japaner benutzen die "te"-Form, die zwar nicht die wirkliche Befehlsform ist, aber auch gegenüber Menschen benutzt werden kann, um eine höfliche Bitte oder Aufforderung auszusprechen. In Spanien benutzt man den Infinitiv und im Englischsprachigen Raum gibt es das Problem so nicht, weil sich Infinitiv- und Imperativkonstruktionen letztendlich nicht wesentlich unterscheiden, was Verb und Satzstellung betrifft. In Thailand hat man das Problem ebenfalls nicht, weil es keine explizite Imperativform gibt(?)... aber wie ist es in Deutschland?
Intuitiv würde ich sagen, man verwendet beide Formen und welche letztendlich benutzt wird, hängt davon ab, wo sich das entsprechende System auf einer Skala zwischen "Haustier" und "Word" einordnen läßt.
"Unser" Navigationssystem liegt offenbar irgendwo in der Mitte, aber mit einem Computerprogramm würde ich eher im Infinitiv "reden", während ich für einen "personal robot" den Imperativ als natürlicher empfinde. Meine Vermutung: Je weniger ein System als reines "Werkzeug" empfunden wird, desto häufiger ersetzt der Imperativ den Infinitiv.

Bleibt die Frage "woran liegt's?" Immerhin sind Infinitivkonstruktionen ansonsten im Deutschen völlig unüblich, um einen Wunsch oder Befehl auszudrücken.
Meine einzige plausible Erklärung bisher: Es handelt sich um Kurzformen für "ich möchte ... tun" oder "ich werde...tun", also beispielsweise "ich möchte die Datei öffnen" oder "ich werde das Dokument drucken", die man deswegen benutzt, weil ein Programm kein "Gegenüber" ist, das man in der zweiten Person also mit "Du" oder im Imperativ ansprechen würde.

Seltsamerweise verwenden (auch die wenigen deutschen) Programmiersprachen (obwohl sie auf meiner Skala wohl noch jenseits von Word liegen würden) von Anfang an Kommandos, die von der "Satzstellung" her dem Imperativ entsprechen. Also erst das "Verb" und dann die entsprechenden "Objekte" [open(file), print "text", MOVE AX BX etc.]. Auch in älteren Science Fiction Filmen wird mit dem Computer, so ich das richtig in Erinnerung habe, im Imperativ geredet. Aber möglicherweise ist das schlichtweg eine Frage der Übersetzung aus dem Englischen, wo die Sache ja, wie oben beschrieben, sowieso anders aussieht...

Mein Fazit aus dem Ganzen: Wie ich seit meiner Ankunft hier schon häufig festgestellt habe - manchmal sind gerade die Dinge interessant, über die man normalerweise gar nicht nachdenken würde. (naja, vielleicht sind solche Theman auch einfach nur eine passende Beschäftigung für einen verregneten freien Samstag ;))
Generell bringt der Dialog mit Leuten, die einen völlig anderen kulturellen Hintergrund haben, aber tatsächlich häufig interessante Dinge ans Tageslicht und gerade bei Kategorien, die einem völlig natürlich erscheinen, kann einen das gelegentlich richtig durcheinanderbringen. Ich versuche einfach mal, das an zwei "harmlosen" Beispielen aus dem Alltag zu verdeutlichen:

Wenn wir als Deutsche mit Zahlen umgehen, dann haben wir ein Wort für "Zehn/zig", "Hundert", "Tausend", "Millionen", "Milliarden" usw... und empfinden es als völlig naturgegeben, so zu zählen. - zumindest vor einem Aufenthalt in Japan. ;) Da gibt es zwar auch Begriffe für zehn (ju), hundert (hyaku) und tausend (sen) - die nächste Einheit ist dann aber zehntausend (man) und danach folgt hundert Millionen (oku). "Millionäre" gibt es in Japan also nicht, denn eine Million ist einfach nur "hundert zehntausend" (hyaku man)...

Noch ein Beispiel sind Farben. Unsere Farben sind rot, gelb, blau, grün, usw. und wenn jemand sagt "grün" oder "green" oder "vert", dann können wir uns darunter etwas vorstellen und gehen davon aus, daß unser Gegenüber das gleiche meint, nämlich (0, 255, 0) RGB. Und dann kommt ein Japaner und bringt unser Weltbild durcheinander, indem er erst sagt "der Himmel ist "aoi"" und danach "die Ampel ist "aoi"" (Das Grün bei japanischen Ampeln entspricht übrigens exakt dem bei uns - das nur zur Erklärung)... Das Gras ist hingegen "midori".

Im Wesentlichen läßt sich zwar auch im Japanischen eine Unterscheidung zwischen blau (aoi) und grün (midori) treffen, die dem Deutschen blau und grün entspricht, aber trotzdem bringen "blaue Ampeln" einen dazu, die eigene Sichtweise zu hinterfragen, denn obwohl zumindest unsere Grundfarben natürlich letztendlich einen physikalischen Hintergrund haben, der uns sagt, es ist sinnvoll Farben mit den Eigenschaften von "Rot, Grün und Blau" oder "Cyan, Magenta und Gelb" benennen zu können - ganz so selbstverständlich ist es nicht, daß in jeder möglichen Kultur ein Begriff existiert, der "rot" bedeutet und dessen "Prototyp" nicht etwa Weinrot oder Rot-Orange sondern (255,0,0) ist.

"Erkenntnisse" wie diese in unscheinbaren, kleinen Alltagsdingen sind es, die einen von Zeit zu Zeit dazu bringen die Naturgegebenheit das eigenen Weltbildes und der Kategorien, in denen man seit seiner Geburt denken gelernt hat, in Frage zu stellen und die neben den vielen, vielen Dingen, die in Japan ganz genauso sind, wie in Deutschland auch, gelegentlich doch das Gefühl hinterlassen, irgendwie in einer ganz anderen Welt gelandet zu sein.

Kommentare, Pingbacks:

Kommentar von: der zurückgebliebene [Besucher]
In Deutschland würde niemand ernsthaft mit einem Computer reden, solange er nur auf knappe und deutlich gesprochene Sätze reagiert wie "Datei öffnen" oder "Schliesse das Programm XYZ" - nicht, weil der entsprechende Operator dann sofort in die Geschlossene eingeliefert werden würde, sondern weil es für die meisten Menschen keine Hilfe ist, statt eines Mausklicks oder Tastendrucks erst den gewünschten Satz (im Kopf) zu formulieren und dann auch noch auszusprechen müssen. Interessant wrd es erst, wenn die Sprachsteuerung auch gedankliche Leistung übernimmt, wenn man z.B. seine Unternehmensdatenbank fragen könnte "Wie viele der über 40jährigen Sekretärinnen, die schon 15 Jahre im Unternehmen sind und noch keinen negativen Eintrag in ihrer Personalakte haben, verdienen weniger als der Firmendurschnitt?" oder seinen Mailclient anweisen könnte "Zeig mir alle Emails der letzten 14 Wochen mit den und den Kriterien" oder wenn man seine Hauselektronik fragen könnte "Wo befindet sich Mitarbeiter ABC?"
Schau dir mal Star Trek an :-) Dort gehen sie mit dem Schiffscomputer wie mit einem neutralen Berater um, der auf Umgangssprache reagiert.
PermalinkPermalink 04.06.05 @ 16:43
Kommentar von: Eimann [Besucher] · http://blog.etherkiller.de
Sorgen kann man haben .... ;-)
Naja, also wenn ich mir so vorstellen wuerde, moechte ich mit einem humanoiden Robi doch eher interaktiv kommunizieren. d.h. ordentliche Sprache von meinem gegenueber, "normale" Saetze meinerseits ("Hol mal bitte 'ne Fanta ausm Kuehlschrank").
Mit einem nicht-humanoiden intelligenten System (so nenn ichs mal) wuerd ich mich einfach nur freuen, wenns das macht was es soll, bei einem Navisystem wuensche ich mir z.B. passendes agieren auf einen Befehl ("Speichere bitte die Strasse Dorotheenstr. 33 in Frankfurt am Main, dort wohnt Joachim", "Ich moechte gerne zu Joachim"), der nur durch ein kurzes "Ist gespeichert", "Berechnung erfolgt", "Erledigt" seine aktionen bestaetigt.

Aehm, ja. Asimov kompatibel sollte der Humanoidling auch sein ;-)

Gruesse, Dominik
PermalinkPermalink 08.06.05 @ 04:58
Kommentar von: Frauke [Besucher]
Hallo Anja!

Die Sachen mit den Farbwörtern/Imperativen und deine "Gedanken danach" erinnern mich stark an die Thesen und Untersuchungen von Edward Sapir und Benjamin Lee Whorf (hoffentlich beide Namen richtig geschrieben). An der Uni hab ich mich mit der sog. Sapir-Whorf-Hypothese beschäftigt, die besagt, dass deine Sprache deine Wahrnehmung der Welt beeinflusst.

Auf Wunsch stöbere ich gerne mal nach mehr und genaueren Infos.

LG
Frauke
PermalinkPermalink 12.06.05 @ 05:33

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